MQA wirkt sich negativ auf die Musik aus. Und wir erklären, warum.

Ein neues Audioformat, womit das Streaming von Musik aus dem Internet in Studioqualität möglich ist, dass ohne die üblichen Probleme wie Kopierschutz und so, dass Sie sichergehen können, etwas Echtes gekauft zu haben? Klingt nach der perfekten Lösung? Nicht so schnell.

Ich werde an dieser Stelle nicht versuchen, die technische Seite von MQA zu erläutern, oder mich dazu äußern, ob MQA klanglich die versprochene Leistung bringt. Es gibt genug Leute bei Linn, die besser qualifiziert sind als ich, um MQAs fragwürdige Behauptungen zu beleuchten. Falls Sie sich hier technische Einblicke erhofft haben, möchten Sie vielleicht an dieser Stelle mit dem Lesen aufhören. Bitte schenken Sie mit aber ein paar Augenblicke Ihrer Zeit …

Ich möchte erklären, warum MQA schlecht für die Musik ist

Meine Meinung begründet sich auf der Erfahrung, die ich als Musiker, Manager, Besitzer eines Labels und während Verhandlungen von Download-Dienstleistungsverträgen mit Händlern, Indie Labels und großen Labels gesammelt habe, sowie durch meine Arbeit mit dem Marketing von Linn Geräten und Technologien.

Als Außenseiter kann man den Eindruck bekommen, MQA sei im Grunde ein Joint Venture zwischen dem großen Label Warner und dem HiFi-Hersteller Meridian. Sie bemühen sich auch um die Beteiligung und Investition aller anderen Majors, großen Indies und Konglomerate.

Die großen Labels sind im Besitz einiger der absolut größten Aufnahmen der Musikgeschichte und halten umfangreiche Rechte an riesigen Katalogen. Diesen Vorteil können sie als Druckmittel gegenüber aufstrebenden Musikdienstleistern und -anbietern nutzen und tun das auch. Die großen Labels wissen um die Macht der Omnipräsenz von Inhalten und wie wichtig ein umfassender Katalog ist, damit ein neuer Dienst oder eine neue Technologie an Zugkraft gewinnen und erfolgreich sein kann.

Die Rechte, die sie halten, liefern immer geringere Erträge – dabei entpuppt sich die von Anteilseignern erhoffte Langfristigkeit als gar nicht so lang – und es ist nötig, dass Aufnahmen so effektiv wie möglich genutzt werden. Mit anderen Worten, sie müssen immer und immer wieder an uns verkauft werden. Natürlich ist es für den Hörer/die Hörerin von Wert, ein Album in Studio Master Qualität zu hören. Aber sobald ein/e Verbraucher:in im Besitz eines Studio Masters ist, versiegt die Einnahmequelle.

Aber die Landschaft des Content-Konsums befindet sich im Wandel, von einem Modell, das auf Handelsgütern und Besitztum basiert, zu einem, in dem Nutzwert und der Zugriff durch Mieten – Streaming –im Zentrum steht. Die großen Label wissen, dass das Gleichgewicht der Kontrolle über die Einnahmeströme im Fluss ist, und dass es entscheidend ist, die Kontrolle darüber zu gewinnen. Betrachten Sie einmal die Macht, die Streaming-Anbieter wie Netflix und Amazon, (die sogar selbst in die Produktion gegangen sind und Studios somit überflüssig machen), über Filmstudios haben und Sie werden verstehen, wie verlockend es erscheinen muss, Kontrolle über die gesamte Lieferkette zu erlangen. Und genau das ist es, worauf sich MQA vorbereitet.

Ein Monopol auf die Lieferkette

MQA versucht nicht nur, dieselben Inhalte mit höheren Gewinnen wieder zu verkaufen oder die Audio-Qualität auf dem Markt der Streaming-Anbieter aufrechtzuerhalten: MQA strebt nach Marktherrschaft. Es handelt sich um einen Versuch, jeden Teil der Lieferkette zu kontrollieren und Gewinne zu erzielen und das nicht nur mit Inhalten, deren Rechte MQA hält. Es ist wirklich erstaunlich. Schauen wir uns das Ganze im Detail an:

Hersteller von Aufnahme-Equipment werden die Technologie lizenzieren und ihre Produkte daran anpassen müssen.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Entwickler von Aufnahmesoftware-Systemen benötigen zertifizierte Software-Plug-ins.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Toningenieure und Techniker müssen zertifiziertes Equipment und Software kaufen.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Künstler:innen müssen mit Studios und Toningenieuren arbeiten, die zertifiziertes Equipment nutzen und neuen Arbeitsabläufen folgen; oder sogar dafür zahlen, ihren eigenen Gesamtkatalog in MQA „neu mastern“ zu lassen. Die Kosten dafür tragen natürlich die Künstler:innen, entweder direkt oder indirekt über Tantiemen.

Digitale Händler müssen MQA lizenzieren und ein „Hyper-Security“-Modul erwerben oder leasen, um für die Lieferung an Download-Dienste bereite Dateien zu verschlüsseln/kodieren oder mit einem Wasserzeichen zu versehen.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Anbieter von Download- oder Streaming-Diensten müssen den Handelsbedingungen zustimmen und Partner werden. Das Ergebnis:

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Hersteller physischer Medien können MQA für das Authoring auf CD und DVD nutzen, wofür wahrscheinlich auch ein Lizenzvertrag nötig sein wird.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

HiFi-Hersteller und Softwareentwickler müssen ihre Produkte anpassen und die Technologie lizenzieren.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Endverbraucher, die bereits eine stolze Summe über einen lizenzierten Content-Anbieter für MQA bezahlen müssen, müssen zusätzlich MQA-zertifizierte Netzwerkplayer zu höheren Kosten erwerben. Dabei fallen für jedes verschickte Gerät Lizenzgebühren an.

$$$ MQA nimmt Geld ein $$$

Kein DRM? Nicht so schnell.

Richtig interessant ist es, dass eines der wesentlichen Verkaufsargumente MQAs ist, dass keine digitale Rechteverwaltung (Digital Rights Management, DRM) nötig ist. Sie wissen, dass Verbraucher*innen beim Gedanken an Kopierschutz rot sehen. Einen Kopierschutz einzubauen, wäre also so etwas wie Selbstsabotage. Aber die Behauptung, es gäbe kein DRM, ist nicht ganz korrekt, sondern vielmehr Ansichtssache. Die Datei enthält eine Art Fingerabdruck, der auf jeder Stufe von Produktion und Lieferung sicherstellt, dass MQA bezahlt wurde. Dargestellt wird dies als eine Art Qualitätssicherung für den Verbraucher: wenn das kleine MQA-Lämpchen angeht, ist meine Datei echt. Dabei ist es in Wirklichkeit nur ein kluger Schachzug, um alle anderen Aufnahmen als unterlegen darzustellen – wenn in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall sein könnte –, außer sie wurden in MQAs anerkannten Lieferkette produziert, ausgeliefert, heruntergeladen und abgespielt. Vielleicht höre ich eine 24 Bit/192 kHz Datei direkt aus dem Studio, an mich überbracht von der Künstlerin selbst und trotzdem bekomme ich das Gefühl, sie sei nicht echt; das MQA-Lämpchen leuchtet nicht.

Da ist nicht viel Fantasie nötig, sich eine Situation vorzustellen, in der Netzwerkplayer im Namen der Bekämpfung von Piraterie ausschließlich MQA Streams spielen. Oder vielleicht ertönt vor dem Abspielen anderer Anbieter einfach Werbung. Nichts davon wurde vom Unternehmen selbst vorgeschlagen und uns wurde versichert, dass keinerlei solcher Pläne vorlägen. Wie heißt es so schön: Im Zweifel für den Angeklagten? Aber wenn erst einmal die Lieferkette unter Kontrolle gebracht wurde, bietet die Technologie sicherlich die nötigen Werkzeuge an die Hand. Und schließlich erwarten Aktionäre auch Gewinne.

Die schlimmste Art Zwischenhändler

Die Musikindustrie baut auf einem System der Zwischenhändler auf. Manager, Label, Verlag, Lieferanten, Aggregator, Streaming-Anbieter, HiFi-Hersteller; sie alle stehen zwischen Ihnen und den Künstler:innen. Natürlich wollen wir damit nicht sagen, dass diese Organisationen keinen wichtigen Dienst leisten: Produktion, Marketing und Reproduktion von Musik ist schwierig und ein finanzielles Risiko. Ich habe kein Problem mit Menschen, die damit ihren Unterhalt verdienen: Schließlich bin ich selbst einer von ihnen.

Aber mit einem Ansatz wie dem von MQA, stehen wir der schlimmsten Art Zwischenhändler gegenüber: einem, der ein Problem löst, das schon längst durch kostenlose und offene Alternativen gelöst ist oder sein könnte und der trotzdem erwartet (oder eher verlangt), immer und immer wieder bezahlt zu werden, ohne Mehrwert zu bieten. Das ist Rentenkapitalismus, der nur dazu dient, Geld aus dem System zu ziehen und dabei die Kreativität im Keim erstickt. Es ist schlicht und einfach schädlich für die Gesellschaft.

Und erstickt die Kreativität im Keim

Die Menschen, die unter diesem System leiden werden, sitzen an zwei Enden der Lieferkette: Sie und die Künstler:innen.

Sie werden wahrscheinlich einen höheren Preis für dieselbe Musik bezahlen müssen, und für Ihre HiFi-Anlage gleich mit. Und selbst, wenn Sie sich nicht an MQA beteiligen, wird jeder von der stagnierenden Innovation, Kreativität und schlechterer Musik betroffen sein.

Künstler:innen werden die zusätzlichen Produktionskosten über ihre Tantiemen ausgleichen. Dabei werden die höheren Kosten für die Lieferkette insgesamt schon für kleinere Tantiemen sorgen.

Das Resultat höherer Produktions- und Vertriebskosten sind auch rückläufige Investitionen in neue Musik und ein erhöhter Fokus auf alte bestehende Kataloge oder einen kleineren Pool an Künstler:innen. „Die großen Plattenlabels wollen so für Altes bezahlt werden, statt Risiken einzugehen und in neue Musik zu investieren.“ Die Risikobereitschaft wird gedrosselt.

Durch die Monopolisierung der Lieferkette werden außerdem Indie-Labels und Künstler:innen ausgeschlossen, die selber produzieren und herausgeben – mindestens aber wird eine Art Steuer auf deren Kreativität erhoben. Künstler:innen, die ihre Musik selbst produzieren oder kleine Aufnahmestudios sind gezwungen, mit größeren Mastering-Studios zu arbeiten, die mit MQA ausgestattet sind, und die Kosten und damit verbundene Einschränkungen zu tragen. Und Künstler:innen, die ihre Musik direkt über ihre eigene Website oder bei Konzerten an die Fans bringen? Naja, die werden auch benachteiligt: der Rattenfänger will auch hier sein Geld.

Es gibt Hoffnung

Klingt ganz schön aussichtslos, oder? Ich habe trotzdem noch Hoffnung. Wir standen bereits an dieser Wegscheide. Damals machten wir uns Sorgen, dass Apple Lossless uns zur Anbieterabhängigkeit verdammen würde, aber so dramatisch war es dann nicht. Auch vergleichbar war das SACD-Format, das ähnlich restriktive Anforderungen und die Lieferkette stellte, sich aber nicht durchsetzen konnte und einging.

Letztendlich bin ich mir sicher, dass die Open-Source-Alternativen, die kostenfrei, verfügbar und in hoher Qualität zu haben sind, als Gewinner hervorgehen werden. Erzwungene Abhängigkeiten, Zentralisierung und Preistreiberei haben eine Tendenz, zu versagen.